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Rubrik 1
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Biographie Heinz Drossels

Denis Allgeier

Heinz Drossel - ein Held?

Jeder, der ein Lexikon, mit der Absicht den Begriff „Held“ nachzuschlagen, aufschlägt, wird darin vermutlich eine Definition finden, welche der folgenden sehr ähnelt:
„Ein Held setzt sich uneigennützig für eine Sache ein und ist dabei bereit, seine Existenz aufzuopfern, wobei er eine Vorbildfunktion erfüllt, mutig und willensstark ist.“
Heinz Drossel war während des Zweiten Weltkriegs Oberleutnant der Wehrmacht und nahm an mehreren Feldzügen in Europa teil. Er wurde unfreiwillig zum Soldaten, da er einen Tag nach seiner juristischen Staatsprüfung, im November 1939, eingezogen worden war und im Jahr zuvor sein Versuch, auszuwandern, scheiterte. Als Sohn zweier strikter Nazigegner stand auch Heinz Drossel dem Nationalsozialismus stets kritisch gegenüber.

 

Laut Lexikon wird man nicht als Held geboren, sondern wird durch sein Handeln zum Vorbild und Helden. Ebenso verhielt es sich bei Heinz Drossel. Er handelte nach den Werten, die seine Eltern ihm mitgaben. Sein Vater beispielsweise lehrte ihn, stets „Mensch zu bleiben“.
Dass Heinz Drossel sich dies zu Herzen nahm, zeigt sich bereits an seiner ersten, so genannten Heldentat. Im Sommer 1941 ließ er einen gefangenen sowjetischen Kommissar laufen, obwohl dieser laut Hitlers Kommissarbefehl, hätte erschossen werden müssen. Dies kann getrost als Heldentat bezeichnet werden, da Drossel hiermit seine Existenz für eine uneigennützige Sache aufs Spiel setzte.


Wäre er bei der Verweigerung der Exekution beobachtet worden, so hätte ihn dies mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur seine Freiheit, sondern auch sein Leben gekostet.
Damit treffen bereits zwei Dinge, die einen Helden laut Definition ausmachen, auf Heinz Drossel und sein Wirken zu.


Bereits 1942, also ein Jahr nach dem Vorfall im sowjetischen Russland, handelte Drossel erneut nach seinem Gewissen und den moralischen Werten, die er in seiner Jugend von seinem Vater übernahm. Diesmal war es eine Frau, die das Glück hatte, in einer solch schweren Zeit auf ihn zu treffen. Aufgrund der Tatsache, dass sie kurz zuvor von ihren Kindern getrennt wurde und somit psychisch bereits sehr belastet war, plante sie sich von einer Berliner Brücke zu stürzen. Außerdem war sie durch seine Wehrmachtsuniform, in welcher er sich durch Berlin bewegte, angsterfüllt. Drossel rettete auch diese offensichtlich jüdische Frau vor dem sicheren Tod, indem er ihr Mut machte und der Dame Geld für die Suche nach einem Versteck gab.
Diese Dame spielte ab jenem Zeitpunkt eine wichtige Rolle in seinem Leben, da er sie Jahre später heiratete.


Erneut erfüllt er also durch sein Handeln alle Kriterien, die es braucht, um laut Definition ein Held zu sein. Endgültig zeigt sich, spätestens im Frühjahr des Jahres 1945, dass sein Handeln außergewöhnlich war. Drossel, der sich damals auf Heimaturlaub bei seinen Eltern in Senzig befand, verhalf einer jüdischen Familie, die sich seit einiger Zeit unter falschem Namen versteckt hielt und im Begriff war, verraten zu werden, zur Flucht nach Berlin, wo sie in Heinz Drossels Wohnung Unterschlupf fand. Des Weiteren gab er der Familie, die sich den Decknamen Hesse gab, eine Pistole und vernichtete Dokumente, welche auf die jüdische Herkunft hätten deuten können.


Diese völlig selbstlose und für ihn gefährliche Tat verrichtete Drossel gewissenhaft und sah sie gar als selbstverständlich an, da er auf Grund seines moralischen Werteverständnisses stets als Mensch handelte.


Auch in der Nachkriegszeit hielt er konsequent an seinen Idealen fest. Dies wurde insbesondere durch seine Ablehnung gegenüber ehemaligen NSDAP-Mitgliedern, welche mittlerweile im Nachkriegsdeutschland hohe Positionen innehatten, deutlich. Mit Empörung musste er feststellen, dass eine solche Person zu seinem Vorgesetzten ernannt werden sollte. Aus diesem Grunde bewarb er sich auch für eine Stelle in Freiburg, wo er später Sozialgerichtspräsident werden sollte.

Trotz dieser erstaunlichen Dinge, die er in jener düsteren Zeit der Deutschen Geschichte vollbrachte, war er stets bescheiden und sah sich selbst nicht als Held, sondern als jemanden, für den es selbstverständlich war so zu handeln. Während seiner zahlreichen Besuche am Geschwister-Scholl-Gymnasium versuchte er den Schülern immer ein Vorbild zu sein und sie zu couragiertem Handeln zu bewegen. Dass er das schaffte, was kein Lehrer jemals erreichen kann, nämlich dass 800 Schüler ihm aufmerksam zuhören, lag nicht zuletzt daran, dass er trotz seines hohen Alters stets ein moderner Herr war, der sich selbst immer auf eine Stufe mit den Schülern stellte und diese sogar als „seine Freunde“ ansprach und ansah.

Wenn man das Leben des Heinz Drossel betrachtet, so stellt man fest, dass er in jeglicher Hinsicht ein Held war.
Erstaunlicher Weise begann er jedoch erst in späten Jahren seine Erlebnisse zu berichten. Dies zeigt auch den Wandel, den er durchlaufen hat. Vom stillen Helden und Judenretter wurde er zum Vorbild, Inspirator und letzten Endes auch zum Freund der unzähligen Schüler, zu denen er während seiner Vorträge sprach. Wer ihn einmal erleben konnte und seinen Berichten lauschte, dem wird er immer in Erinnerung bleiben.

 

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