Rubrik 4
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Beiträge von Freunde & Wegbegleiter

Rainhard Egge

Heinz Drossel – ein Held?

An ihn gerichtet hätte er diese Frage wohl zugelassen, aber bestimmt nicht mit „Ja“ beantwortet. Nach einigem Nachdenken hätte er hinzugefügt:

„Sucht selbst eine Antwort! Aber: macht euch die Antwort nicht zu leicht! Versucht eure Wahrheit in meinem Lebensweg zu finden und: Begründet sie gut.“


Im Februar 1942 wurde Heinz Drossel mit dem Eisernen Kreuz der Wehrmacht, dem eisernen Hakenkreuz ausgezeichnet. Der Oberbefehlshaber der Wehrmacht, Adolf Hitler, hatte es am 1. September 1939 gestiftet. Fast 60 Jahre später erhielt er aus der Hand des Bundespräsidenten Johannes Rau das Bundesverdienstkreuz; Yad Vashem zeichnete ihn als „Gerechter unter den Völkern“ aus; er ist Träger der Raoul Wallenberg-Medaille.

Diese nationalen und internationalen Würdigungen seines Lebensweges zeigen: Heinz Drossel fällt aus dem Rahmen; war er ein Held?


Meyers - Encyclopädie beschreibt einen Helden:

„Ursprünglich der sich durch Tapferkeit und Kampfgewandtheit auszeichnende Mann...

Allgemein dann eine Person, die den Mittelpunkt einer Begebenheit oder Handlung bildet, oder durch vorbildliches, selbstloses Handeln höchste Anerkennung und Bewunderung hervorruft.“

Im englischen Sprachraum wird „hero“ als „a person who is admired by many for her or his noble qualities or courage...“ bezeichnet.

Dabei wird unter courage “the ability to control fear when facing danger, pain, opposition…to say or to do what one feels to be right” (Oxford Advanced Learner’s Dictionary, 1995).

„Im übertragenen Sinn nennt man Held einen Menschen, der ein außergewöhnliches Schicksal vorbildlich trägt oder der sein Leben selbstlos für seine Pflicht und seine Mitmenschen einsetzt. (Helden des Alltags)“. (Brockhaus Encyclopädie Band 8, 1969)

Heinz Drossel war ein Held des Kriegs-Alltags. In extremen Situationen hat er an der Front und in der Heimat den Grundsatz seines Vaters befolgt:

Bleibe immer ein Mensch, mein Junge, auch wenn es dich Opfer kostet.“

Diese Maxime und seine starke körperliche Leistungsfähigkeit – er war ein guter Leichtathlet – haben wesentlich dazu beigetragen, dass er fünf Jahre Krieg überleben konnte.

Allerdings: es war nicht allein sein Verhalten, das seinen Lebensweg bestimmte. Er hatte von Kindheit an Prägungen erfahren, die später in konkreten Situationen lebensrettende Wirkung für ihn und andere entfalteten.

Es hat sich so ergeben...


Heinz Drossel kannte den Krieg unter dem Hakenkreuz, den Haken-Kreuz-Krieg, aus eigener bitterer Erfahrung.

Es ist diese persönliche Kriegserfahrung und die persönliche Konsequenz, die er für sich daraus ziehen konnte, die ihn eben zum Vorbild machen.

Aus seiner Geschichte lässt sich wirklich etwas über die Realität des Weltkrieges lernen.

Seine Gedichte:

- „Schuld“ - November 1945

weisen die Richtung.

Am 22.06. 2005 steht Heinz Drossel bei seinem vierten und letzten Besuch in Ritterhude auf dem Neuen Friedhof neben dem Weltkriegs-Denkmal, das vier Zahlen umfasst:

1914 – 1918

1939 – 1945

Zu diesem Zeitraum hat er, geboren 1916, Wichtiges zu sagen. Mit Hilfe seines Lebensweges lässt sich ein überzeugendes Weltkriegsbild zeichnen, das tragfähig ist.


Nachdenken über Heinz Drossel als Kriegs-Alltags-Held an der Jahreswende 2008/2009 trifft sich mit einer „Helden-Diskussion“ ganz eigener Art:

„Helden vor Hakenkreuzen“ (Spiegel 52/2008)

70 Jahre nach 1939 wird in den Kinos Erzählung nicht mehr „in den Dienst der Historie“, sondern die Historie in den Dienst der „Story“ gestellt.

Dieser Mainstream macht die Auseinandersetzung mit Heinz Drossel so wichtig. Denn:

Seine Lebensgeschichte im Krieg öffnet den Zugang zu einer Welt-Kriegsgeschichte, die – aus deutscher Sicht – den ganzen Krieg umfasst: Militärische Operation an der West- und Ostfront, Judenmord und Judenrettung. Der Begriff des Helden ist in Deutschland nach „Hitler“ von uns eindeutig im Anti-Nazi-Sinn zu verwenden.

Als Helden im ursprünglichen sind daher wohl nur Georg Elser und die Geschwister Scholl zu nennen.

Was Heinz Drossel über diese Helden gedacht hat – ich habe ihn nie dazu gefragt.


Die Zivildienstschule in Seelbach hat nur knapp drei Jahre seinen Namen getragen. Die Schließung dieser Einrichtung des Bundesamtes für Zivildienst erfolgte ohne großen Widerstand. Diese haushaltsrechtliche begründete Entscheidung hat Heinz Drossel sehr getroffen. In einem Wettbewerb unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten sollte dieser Vorgang deutlich heraus gestellt werden. Zeigt er doch, wie gleichgültig mit unserem historischen Erbe im politischen Alltag umgegangen wird.

Am Ende seiner Vorträge hat Heinz Drossel die jugendlichen Zuhörer stets direkt angesprochen:

„Machts besser!“


Diese Aufforderung gilt es gerecht zu werden.

Diese Aufforderung eines Helden des Weltkiregsalltag verpflichtet uns zu nachhaltiger Anstrengung.

Es wird Zeit, dass sich Menschen finden, die dem Bundesministerium der Verteidigung den Vorschlag unterbreiten, eine Kaserne der Bundeswehr noch Heinz Drossel zu benennen.

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